Zusammenfassung

Xenakis Kompositionen für Tasteninstrumente (Klavier und Cembalo) stellen die Interpreten vor wirklich unlösbaren technischen Problemen. Die Kompositionen können oft nicht „korrekt“ wiedergegeben werden und sie sind streckenweise schlicht nicht spielbar, weil Xenakis sehr oft die spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments ignoriert oder überschreitet. Die Klangeffekte, die ihm vorschweben, können am Klavier oder Cembalo, wegen ihrer sehr großen Komplexität und Vielschichtigkeit, nicht immer verwirklichen werden.

Um dies zu belegen, folgen im Text ausführliche Beispiele aus dem Cembalostück Khoai und dem Klavierstücken Evryali und Herma (in dem Fall die stochastischen, also aleatorischen oder statistischen Tonfelder).

Eine andere fast unüberwindliche Schwierigkeit ist die komplexe Überlagerung und/oder Durchdringung von zwei oder mehreren unterschiedlichen Klangschichten, die sich, verständlicherweise, nicht von einem einzelnen Musiker rhythmisch und von der Stimmführung her korrekt wiedergeben lassen.
Dazu werden Beispiele besprochen aus den Stücken Mists, Khoai, Evryali und Naama.

Eine noch schwierigere Situation sind extrem komplexe und häufige Stimmkreuzungen, oder besser gesagt Schichten-Kreuzungen, die am Klavier wegen der einheitlichen Klangfarbe dieses Instruments nur sehr eingeschränkt akustisch verdeutlicht werden können. (Dazu werden im Text Beispiele aus Evryali und Naama gegeben.)

Noch problematischer - oder sogar wirklich unmöglich - für den Interpreten ist die Überlagerung von unterschiedlich strukturierten „Klangwolken“: zum Beispiel das gleichzeitige Spiel einer Klangschicht aus einzelnen Staccato-Noten und einer zweiten Schicht, deren Töne, mit Hilfe des Pedals, eine kompakte Klangmasse bilden sollen.
Dazu wird im Text ein Beispiel aus Herma besprochen.

Zusammenfassend wird im Text der Frage nachgegangen, warum Xenakis eine so hohe Komplexität einem einzelnen Interpreten zugemutet hat und warum er diese Musik nicht auf mehrere Instrumente verteilt hat oder warum er nicht gleich elektronische Musik daraus gemacht hat, damit die von ihm erdachten Strukturen auch real zum Klingen gebracht werden können.

Der Wunsch, die Kompositionen so zu hören, wie Xenakis sie sich wahrscheinlich vorgestellt und ganz präzise notiert hat, ist berechtigt. Der Dirigent Daniel Grossmann legt mit dieser CD wahrscheinlich als Erster einen Rekonstruktionsversuch der klanglichen Vorstellungen des Komponisten vor. Die sehr spontan wirkenden Aufnahmen sind dabei in Wahrheit das Resultat einer intensiven Arbeit am Computer. (Es folgt im Text die genaue Auflistung der vielen, langwierigen Arbeitsschritte Grossmann unternommen hat.)

Diese so rational entstandene (Computer-)Aufnahme lässt die große Lebendigkeit und Frische der Musik von Xenakis voll in Erscheinung treten. Diese Aufnahmen sollten als Dokumentation eines musikalischen Interpretationsakts mit eigenem künstlerischen Anspruch bewertet werden. Sie sind jedoch nicht als Ersatz für bereits bestehende oder zukünftige „echte“ Einspielungen der Stücke gedacht, sondern als objektive Referenz für das Publikums und die Instrumentalisten.