Tom Sora, 1956 in Bukarest geboren, ist ein ebenso interessanter wie eigenwilliger Komponist, der seine Ideen und Konzepte abseits irgendwelcher Schulen und ausgetretener Pfade realisiert, der in aller Stille sein künstlerisches Ding verfolgt, ohne auf Auszeichnungen zu reflektieren oder um den großen öffentlichen Auftritt zu buhlen. An der Münchener Musikhochschule hat er vor Jahren die Orgel zu spielen studiert, sich dann in Stuttgart mit aktueller Musiktheorie beschäftigt und schließlich in Paris über Thema der philosophischen Ästhetik promoviert. Heute lebt Tom Sora wieder in München und hat nun seine erste CD vorgelegt, die unter dem label NEOS bei col legno erschienen ist.

Darauf zu finden sind musikalische Glasperlenspiele der ganz besonderen Art: mechanistisch fundierte Klanggebilde, deren monochromes Erscheinen unversehens umschlagen kann in eine poetische Vexierbilderwelt von geradezu magischem Zauber; Musik, geboren aus einer intellektuell gesteuerten Kombinatorik, welche aus dem eng begrenzten Fundus von nur zwanzig diatonisch gestimmten Tönen Funken zu schlagen vermag. Da sind zunächst die neun fantasievollen Stücke des zwischen 1993 und 98 entstandenen Zyklus "20 Töne" für eine kleine Kurbelspieluhr. Ähnlich wie der amerikanische Mexikaner Conlon Nancarrow, aber mit anderer ästhetischer Zielsetzung, hat Sora seine teils sehr komplexen Kompositionen in mühsamer Kleinarbeit in Lochkarten gestanzt, mit denen er seine kaum faustgroße, auf einem Resonanzbrett befestigte Spieluhr vermittels konstant schnellen Kurbeldrehens zum klingen bringt.

Feingliedrige Texturen entfalten sich, Tonschwärme à la Xenakis werden lebendig, wie von Ferne klingt eine Bachfuge durch die statistisch oder graphisch geregelten Fluktuationen skalarer Molekülketten. Weniger ätherisch, an dunklere Pforten klopfend, jedoch nicht weniger in ihren Bann ziehend, die beiden Teile des weiter im Entstehen begriffenen Zyklus "Destillationen" für midi-Klavier. Ein work-in-progress, das darauf angelegt ist, aus improvisierten Klanggesten sukzessive dichtere Aggregate zu gewinnen. Und schließlich die durchaus mit plakativen Mitteln von existenziellen Gefahren kündende Komposition "Drei Angriffe" für midi-keyboard, in der sich mechanistisch-virtoses Filigran einem schier übermächtig werdenden Dräuen des Gewalttätig-Erhabenen zu erwehren sucht. Eine wirklich bemerkenswerte Silberscheibe!

Helmut Rohm, Bayern 4 Klassik