Musik für mechanische Instrumente, erste Töne, Tonrepetitionen, Verdichtung zu Klangwolken, die Assoziationen wandern zu Ligetis Klavieretüden, zur Drehorgel Pierre Charials, vor allem aber zu Conlon Nancarrows Studies for Player Piano. Der zu hörende silbrige Klang entspringt einer winzigen Kurbelspieluhr. Man staunt über die Komplexität der Kompositionen, die mit diesem winzigen mechanischen Instrument zum Erklingen zu bringen sind: über deren Vielschichtigkeit, über Mehrstimmigkeit nicht nur in schnellen Tempi, Überblendungen verschiedener Metren, eingeflochtene Momente von Stilkopien, ein Zitat. Ein scheinbares Paradox: Auf der einen Seite steht mathematische Genauigkeit in der Errechnung der musikalischen Linien, auf der anderen Seite der spielerische Gestus der zu hörenden Klänge und der vor dem inneren Auge visualisierten Kurbelspieluhr.

Wie sind nun diese, ob der scheinbaren Diskrepanz von Spielzeug und klanglicher wie konstruktiver Komplexität und Durchstrukturiertheit Staunen hervorrufende Kompositionen einzuordnen? Ist es der reine Effekt? Artistik und gutes Handwerk? Oder sollte man beim Hören dieser Musik an Soras Maxime denken, dass Musik und Gesellschaft nicht losgelöst voneinander zu denken sind - und dabei über die Geschichte der Spieldose oder „die Kraft des Kleinen“ reflektieren? Oder ist das Spiel mit der Virtuosität der Musik für mechanische Lochkarteninstrumente nicht doch schon ausgereizt?

Der zweite Teil der CD ist Kompositionen für Midi-Klavier gewidmet. Der Komponist, bildende Künstler und Philosoph Tom Sora schnitt aus Aufnahmen eigener Klavierimprovisationen kurze Abschnitte zusammen, um so eine „Improvisationscollage“ entstehen zu lassen, deren dichter, meist abstrakter Gestus wiederum die Unspielbarkeit durch die menschliche Hand in den Vordergrund rückt. In einem „ersten Destillat“ reduziert er das verwendete Material und setzt es auf neue Art zusammen. Es entsteht ein oft kleinteilig schnelles Wechselspiel von Gesten und rhythmischen Pattern, ein ähnliches und doch anderes Stück genau derselben Länge wie die Ausgangscollage. Vielleicht fehlen die noch geplanten weiteren Destillationen, um eine überzeugende Serie darzustellen. So klingt die Idee interessanter als das klanglich eher bekannt-virtuos wirkende Ergebnis.

Drei Angriffe basiert auf einer rein graphischen Partitur, die mittels eines Computerprogramms akustisch umgesetzt wird. Wenn in den Linernotes von einem „Ausloten und Reflektieren des Strukturdenkens“ die Rede ist, so fragt man sich, ob dies nicht auch auf diverse Partituren wie etwa Cornelius Cardews Treatise zutrifft, deren Ersteinfall ebenfalls rein graphischer Natur sind und deren klangliche Umsetzung durch den Musiker ohne eine eigene Reflexion mangels musikalischer Spielanweisungen nicht funktionieren kann.

Nina Polaschegg